Mar 4, 2022
In Folge #130 vom MS-Perspektive-Podcast spreche ich mit Dr.
Anja Dillenseger vom MS-Zentrum in Dresden über relevante digitale
Biomarker für MS-Patienten. Es geht darum, was Biomarker sind? Wie
sie eine bessere Beurteilung des Ist-Zustandes ermöglichen, was
wiederum eine bessere Behandlung ermöglicht. Welche Rolle dabei
Smart Phones, Apps und Fitness Tracker spielen? Außerdem sprechen
wir ganz konkret darüber, wie Sehstörungen erfasst werden und die
Aussagekraft der Ergebnisse. Und es geht darum, wie Technik
objektiv vergleichende Verlaufsdaten zeigen kann, selbst wenn
andere Symptome wie Fatigue beim Messen von beispielsweise
Sprechstörungen reinspielen. Den Artikel kannst Du hier nachlesen: Anja Dillenseger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin mit
akademischem Abschluss beim Multiple Sklerose Zentrum Dresden. Sie arbeitete zunächst im Groß- und Außenhandel und war
Chefsekretärin bei RENO-Schuhimport. Es folgte ein BWL-Studium.
Dann ging sie für 10 Monate in eine Tierarztpraxis und studierte
anschließend Veterinärmedizin. Bis 2014 arbeitete sie in einer
Praxis in Chemnitz, wechselte dann nach Dresden wo sie in den
Jahren 2015/2016 in einer Tierarztpraxis tätig war. Und seit 2016
gehört sie zum Team des MS-Zentrum in Dresden. Biomarker sind objektiv messbare Indikatoren physiologischer
oder pathologischer Prozesse oder pharmakologischer Antworten auf
therapeutische Interventionen. Im Rahmen der MS kann man diese
Biomarker unterteilen in: Klassisch mussten und müssen diese Biomarker durch Ärzte oder
medizinisches Personal erhoben und dokumentiert werden. Dafür fehlt
leider häufig die Zeit oder das Personal oder beides (von
Räumlichkeiten, um zum Beispiel Funktionstests durchzuführen, mal
ganz zu schweigen). Daher ist der Gedanke, dass durch die zunehmende Digitalisierung
im Gesundheitswesen zum einen diese Informationen gleich digital
aufgenommen, dokumentiert und zur Verfügung gestellt werden können.
Aber die Digitalisierung bietet auch die Chance, dass Patienten
selbst diese Daten generieren und mit ihrem Behandlungsteam
teilen. Wir hatten 2019 einmal eine Umfrage bei knapp über 200 Patienten
gemacht, welche digitale Technologie sie am häufigsten verwenden.
Das Smartphone war da ganz vorne mit dabei mit einer Nutzung
mehrmals täglich. Smartphones bieten im Grunde alles, was man
braucht: Kamera (z.B. zur Stimmungserhebung anhand des
Gesichtsausdruckes), Mikrofon (zur Dokumentation der Sprache und
eventuellen Auffälligkeiten), GPS und Gyroskop (zur Messung von
Mobilität und Rotationsbewegungen des Körpers) etc. Also: warum
dies sich nicht zunutze machen? Oder Fitness-Tracker? Bei MS heißt es, frühzeitig auf Progressionen zu reagieren. Aber
natürlich auch die Kontrolle der Therapie-Aktivität oder das
Hinzukommen von neuen Symptomen. Normalerweise sehen wir Patienten alle 3 Monate, manchmal auch
nur alle 6 Monate. Mal ehrlich, ich könnte mich nicht erinnern,
wenn du mich jetzt fragen würdest, wie oft ich in den letzten 3
Monaten z.B. unter Kopfschmerzen gelitten habe. Das Gedächtnis
eines jeden erinnert vielleicht die letzten 5 Tage ganz konkret, je
nachdem natürlich, wie gravierend das Ereignis war. Aber im Grunde
geht wohl viel Information verloren. Oder wird nicht ernst genug
genommen. Wenn jetzt aber der Patient sich zum Beispiel hinsichtlich
bestimmter Symptome selbst in seiner Häuslichkeit messen kann oder
regelmäßig digitale Fragebögen zu den wichtigsten Symptomen
zugeschickt bekommt, die Veränderung bestehender Symptome von
ihm/ihr selbst über ein digitales Programm dokumentiert werden kann
oder auch Schübe im Rahmen eines Tagebuches, dann unterstützt dies
auch bei Visiten das Arztgespräch. Noch besser natürlich, wenn der Arzt ebenfalls (nach Zustimmung
des/der Patient*in natürlich) direkt Zugriff zu diesen
Informationen in Echtzeit hätte. Und da geht die Reise hin. Die Bekanntesten hier sind wohl das MRT sowie die Untersuchung
des Augenhintergrundes mittels der optischen Kohärenztomographie.
Da ist dann aber noch lange nicht Schluss. Patienten an unserem Zentrum kennen hier zusätzlich die
Ganganalyse, die bei uns mithilfe digitaler Technologie (z.B. ein
mit Drucksensoren ausgestatteter Teppich), Opal-Sensoren, die am
Körper befestigt werden und die Rotation des Körpers während
verschiedener Aufgaben dokumentieren, digitale Fragebögen
(Selbsteinschätzung der Mobilität) und vieles mehr. Zusätzlich gibt es bereits die Möglichkeit, Funktionstest
tablet-basiert durchzuführen, ohne dass Patienten hier durch
medizinisches Personal unterstützt werden müssen. Diese
Funktionstests fokussieren sich hierbei auf die am häufigsten
betroffenen Beeinträchtigungen im Rahmen der MS: das Gehen, das
Kontrastsehen, die Kognition (also Konzentration und
Verarbeitungsgeschwindigkeit) sowie die Funktion der oberen
Extremitäten. Studien haben hier belegt, dass diese den
papierbasierten Funktionstests in nichts nachstehen. Bisher waren solche digitalen Funktionstestungen häufig nur im
Rahmen von Studien einsetzbar, aber die Überprüfung des Nutzens in
der klinischen Routine nimmt gerade sehr an Fahrt auf. Apps, die Funktionstests von zuhause aus ermöglichen gibt es
bereits. Im Bereich der Alzheimer-Erkrankung werden Sprach- bzw.
Sprech-Aufgaben mit Erfolg eingesetzt, um Hinweise auf depressive
Verstimmungen, kognitive Beeinträchtigungen und Fatigue zu
erhalten. Bei MS muss dies noch überprüft werden. Da startet im
April bei uns ein Projekt dazu. Wie man erkennen kann, ist die
Erfassung dieser digitalen Biomarker nicht überall verfügbar. Das
wird sich in Zukunft hoffentlich ändern. Diese Tools bieten die Möglichkeit der Erfassung digitaler
Biomarker! Ein Smartphone hat doch jeder. Tablets sind mittlerweile
auch so erschwinglich, dass man die sich in die Praxis oder Klinik
legen kann, um Testungen oder digitale Fragebögen darauf
durchzuführen. Fitness-Tracker sind eher nicht so ganz verbreitet,
könnten aber bei bestimmten Patienten zur Verfügung gestellt
werden, was derzeit nur im Rahmen von Studien der Fall ist. Aber in
diesen digitalen Werkzeugen liegt die Zukunft. Was derzeit mit Hilfe von Apps, Smartphones und Tablets gemacht
werden kann bewegt sich zum Großteil auch im Bereich der Forschung.
Beispiel der Einsatz von digitalen Funktionstests (Kontrastsehen,
Stäbchen-Steck-Test, 7,61-Meter-Gehtest,
Verarbeitungsgeschwindigkeit), wobei hier gerade auch ein
Zulassungsverfahren für eine DiGA (digitale Gesundheitsanwendung
auf Rezept) läuft, die diese anbietet und noch mehr. DiGAs gibt es auch für bestimmte Symptome, wie Fatigue und
demnächst auch zur Unterstützung bei depressiven Verstimmungen. Da
ist viel in der Entwicklung. Auch bei uns im Zentrum ist da einiges
im Gange, wie die Testung einer App für das Selbstmonitoring (auch
über digitale Funktionstests), Sprachanalyse, unsere multimodale
Ganganalyse und vieles mehr, an dem geforscht und entwickelt
wird. Das ist ein wichtiges Thema. Durch die digitale Erfassung und
des immer umfangreicher werden Spektrums, was alles erfasst werden
kann, nimmt natürlich die Datenmenge extrem zu. Die Verwendung digitaler Biomarker stellt andere Anforderungen
an die Datenanalyse als die herkömmliche Verarbeitung von Daten im
klinischen Alltag und sogar als die aufwändigere Verarbeitung in
klinischen Studien. Um den prädiktiven Zweck eines Biomarkers zu erfüllen, ist die
Datenübertragung und Datenanalyse in Echtzeit das Ziel. Dies
erfordert eine Unabhängigkeit von Ort und Situation der
Datenerhebung, d. h. eine Datenverarbeitung, die in der klinischen
Praxis stattfinden kann, aber nicht auf die Räumlichkeiten des
Neurologen beschränkt ist, und die Besuche, die in größeren
Abständen stattfinden. Dazu müssen Daten aus unterschiedlichsten
Quellen über standardisierte, sichere Schnittstellen digital
aggregiert werden – eine Aufgabe, die weit über die Möglichkeiten
einzelner Apps hinausgeht. Die allgemeine Anforderung an (automatisierte)
Informationsverarbeitungssysteme besteht auch darin, dass sie
zuverlässig nützliche Informationen (echte medizinische
Bedürfnisse) von Rauschen unterscheiden können, z. B. durch
Anwendung festgelegter Grenzwerte. Validierung der digitalen Biomarker, Privatsphäre (z.B. bei
passiver Dokumentation über GPS des Smartphones), Datenschutz,
Adhärenz, Datenspeicherung, Datenauswertung. Das Sehvermögen ist eines der am stärksten betroffenen
Funktionssysteme bei Patient*innen mit MS und äußert sich häufig in
Form einer Sehnervenentzündung. Die klinischen Anzeichen können von
Veränderungen des Farbsehens, verminderter Sehschärfe bis hin zum
vollständigen Verlust des Sehvermögens reichen. Das am häufigsten eingesetzte digitale Untersuchungsverfahren
ist das OCT, die optische Kohärenz-Tomographie. Mit OCT können die
Dicke der peripapillären Netzhautnervenschicht (pRNFL) und das
Makulavolumen (Makula = Bereich des scharfen Sehens) gemessen
werden, um nach Netzhautatrophie zu suchen. Es wurden im Bereich
der Forschung Modelle entwickelt, um die Assoziation von
OCT-basierten Metriken mit dem Grad der Behinderung zu bestimmen.
Diese umfassten kontinuierliche Variablen wie die pRNFL-Dicke und
das Makulavolumen, um die Wirkung (Zunahme oder Abnahme) auf das
Risiko einer Verschlechterung der Behinderung zu quantifizieren.
Die Ergebnisse legen nahe, dass die regelmäßige Überwachung der
peripapillären retinalen Nervenfaserschicht ein nützlicher
digitaler Biomarker zur Überwachung der Verschlechterung der
Behinderung bei MS sein könnte, zumal er mit klinischen und
paraklinischen Parametern des Sehvermögens, der Behinderung und der
MRT korreliert. Ein weiterer digitaler Biomarker, der zur Überwachung von
Sehbehinderungen verwendet werden kann, ist das Kontrastsehen. Die
Prüfung der Sehschärfe bei niedrigen Kontrastverhältnissen ist von
Bedeutung, da bei Menschen mit Behinderung die Schwelle, bei der
ein Buchstabe noch vom Hintergrund unterschieden werden kann,
deutlich höher ist als bei gesunden Personen. Digital wird diese
Untersuchung derzeit allerdings nur im Rahmen der Forschung
durchgeführt. Ein Bereich der noch erforscht wird, sind die okulomotorischen
Störungen, die ebenfalls auftreten können, also Störungen der
Augenbewegung. Die am häufigsten beobachteten
Augenbewegungsstörungen sind zum Beispiel überschießende oder zu
kurz erfolgende schnelle, ruckartige Augenbewegungen beim Wechsel
eines Fixpunktes), gestörte horizontale Augenbeweglichkeit, und
Nystagmus (unwillkürliche Augenbewegung).] Sprach- und Sprechprobleme kommen bei 40-50 % aller MS-Patienten
vor. Dazu zählt vor allem die Dysarthrie, das heißt eine
neurologisch bedingte Sprechstörung, die durch eine Schädigung des
zentralen oder des peripheren Nervensystems verursacht wird. Dabei
kann die Lautbildung bzw. Artikulation gestört sein, aber auch die
Atemkapazität, die Sprechmelodie (also eher ein monotones
Sprechen), dass vermehrt Pausen gemacht werden oder die Stimme sehr
angespannt ist. Und das kann man sich für die Untersuchung mittels
digitalen Biomarkern auch zunutze machen. Da diese Beeinträchtigungen auch nur ganz leicht auftreten
können, ist es für das menschliche Ohr (also den Untersucher)
manchmal schwierig zu erkennen. Das heißt, bei Verlaufskontrollen wird sich immer auf das
gleiche „Normal“ bezogen. Menschliche Unterschiede bei
Beurteilungen und der Wahrnehmung (2 Untersucher können zu
unterschiedlichen Ergebnissen kommen) fallen also weg. Das Gleiche
gilt für alle digitalen Biomarker. Sie sind standardisiert. Man darf nicht vergessen, das Sprach- bzw.
Sprechbeeinträchtigungen durchaus negative Effekte hinsichtlich
Berufstätigkeit und sozialer Einbindung haben, mit daraus
resultierenden Einflüssen auf die Lebensqualität! Ein weiteres „Problem“ können verschieden Akzente oder Dialekte
sein. Auch Alter, die Komplexität der durchzuführenden
Sprachaufgaben und die individuellen kognitiven Fähigkeiten müssen
berücksichtigt werden. Der Vorteil von digitalen Sprachanalysen ist, dass diese auch
zum Beispiel während der Visite, bei Telefonaten oder
Videosprechstunden mit durchgeführt werden können. Die Fatigue kann die Konzentrationsfähigkeit sowie die
Sprech-Geschwindigkeit beeinflussen. Depressive Verstimmungen zum
Beispiel zu monotoner Stimme, einer leisen Stimme oder zu negativen
Einflüssen bei der Sprachanalyse führen, wenn zum Beispiel ein
positives Erlebnis der vergangenen zwei Wochen berichtet werden
soll, der/die Patient*in aber ein negatives Erlebnis erzählt. Anzeichen von Müdigkeit und Depression sind bereits bei gesunden
Personen oder Patienten ohne neurologische Erkrankung nachweisbar.
Da Müdigkeit, Depressionen und kognitive Beeinträchtigungen bei MS
häufig vorkommen, könnten sie durch Sprachanalysen erfasst
werden. Testbatterien können so konzipiert werden, dass sie exekutive
Funktionen und Verarbeitungsgeschwindigkeit (z. B. phonematische
und semantische Wortflüssigkeit), Gedächtnis (z. B. Wechsler Memory
Scale und California Verbal Learning Test), Affekt und Müdigkeit
(z. B. Storytelling), Sprache (Bildbeschreibung) und motorische
Funktionen (Pa-ta-ka-Aufgabe) erfassen. Bislang ist die Durchführung solcher Sprach- und Sprachtests auf
Studien beschränkt (bei uns am MS Zentrum Dresden wie gesagt ab
April), doch kann man sich vorstellen, dass sie in Zukunft bei
klinischen Besuchen von Menschen mit Behinderung oder sogar zu
Hause durch den Einsatz spezieller Apps oder Aufzeichnungen bei
telemedizinischen Besuchen eingesetzt werden können. Beeinträchtigungen des Gehens sind mit ca. 85 % die häufigsten
Symptome bei MS. Mehrere Faktoren tragen dabei zur Gangstörung bei
Patient*innen mit MS bei. Sensorische Veränderungen und das daraus resultierende
Ungleichgewicht, die Schwäche der unteren Extremitäten oder das
Vorliegen einer Spastik sowie Kleinhirn-Ataxien haben hier wohl die
größten Auswirkungen. Der in der Routine am häufigsten durchgeführte Test ist der
7,61-Meter-Gehtest. Wie der Name schon verrät, geht der/die
Patient*in hier lediglich 7,61 Meter so schnell und sicher wie
möglich, ohne zu rennen. Eine Schwester/Pfleger misst die dafür
notwendige Zeit. Das Problem mit diesem Test ist aber, dass hier
Auffälligkeiten bei Patient*innen beobachtet werden, bei denen
augenscheinlich Beeinträchtigungen vorliegen. Was man nicht damit erfasst, sind Gehbeeinträchtigungen, die
erst nach mehreren Minuten oder einigen zurückgelegten Metern
auftreten. Auch Faktoren wie die Schrittlänge, Spurbreiten, wie
fußt der Patient*in, muss mit dem Körper ausbalanciert werden, wie
verändert sich das Gehen, wenn noch eine zweite Aufgabe hinzukommt,
werden nicht erfasst. Diese Informationen sind aber essentiell und
müssen dokumentiert und im Zeitverlauf verfolgt werden. Es ist also
komplexer. Wir haben daher bei uns im Zentrum die multimodale Ganganalyse,
die meine geschätzte Kollegin Frau Katrin Trentzsch etabliert hat.
Hier werden neben dem 7,61-Meter-Gehtest auch ein
2-Minuten-Gehtest, die Erfassung des Ganges über das GaitRITE (ein
Teppich, der über Sensoren Auskunft über die Schrittlänge,
Spurbreite, Geschwindigkeit des Ganges gibt) mit und ohne Dual-Task
(also eine zweite Aufgabe, die während des Gehens absolviert werden
muss, um so mögliche Veränderung im Gangbild hervorzurufen) sowie
den Romberg Stehtest und beobachten zusätzlich bei all diesen Tests
die Rotationsbewegung des Körpers mittels am Körper befestigter
Opalsensoren. Hinzu kommen Fragebögen, um subjektive Angaben über
die Mobilität zu erhalten. Die Kraftmessplatte kam neu dazu, die bereits frühe
Veränderungen detektieren kann. Aber das ist nur ein Teil, was das
Mobilitätszentrum von Frau Trentzsch macht und machen kann. Aber es
ist das, was wir jedem/r Patient*in bei uns im MS-Zentrum
mindestens 1x pro Jahr anbieten. Was man nicht vergessen darf: Derzeit ist der hauptsächlich verwendete Test der sogenannte
9-Hole-Peg-Test oder Stäbchen-steck-Test. Hierbei sollen jeweils
mit einer Hand 9 Stäbchen in vorgebohrte Löcher auf eine Platte
nacheinander eingesetzt und wieder entfernt werden. Dabei wird von
einer Schwester oder Pfleger die Zeit erfasst, die dazu benötigt
wird. Diese Zeit wird in Bezug gesetzt zu einer Kontroll-Kohorte
(Menschen ohne Einschränkung). Wenn dieser Test regelmäßig gemacht wird, können Veränderungen
sehr gut erkannt werden. Natürlich gibt es Schwankungen. Aber wenn
beispielsweise eine Verschlechterung um 20 % über mindestens 3
Monate bestehen bleibt, ist dies klinisch signifikant. Diesen Test gibt es auch in etwas abgewandelter Form digital.
Dazu müssen Tomaten oder Ballons zerquetscht werden, die auf dem
Smartphone-Display an unterschiedlichen Stellen und in
unterschiedlicher Größe erscheinen. Studien belegten bereits eine
Korrelation dieses digitalen Tests mit der „herkömmlichen“
Version. Was hier aber noch weitere Vorteile bringt, ist, dass neben der
Standardisierung und der Vermeidung, dass das Personal mal zu früh
oder zu spät die Stopp-Uhr betätigt, zum Beispiel auch die
Möglichkeit der Erfassung des Druckes, den die Finger auf dem
Display ausüben. Oder die Zielgenauigkeit. Das sind alles Daten,
die kann man mit dem herkömmlichen Test nicht erfassen. Diese sind
aber wichtig! Und, nicht zu vergessen, diese Tests können zuhause
durchgeführt werden, auch und vor allem dann, wenn Patienten
Verschlechterungen bemerken und messen wollen. Kognitive Probleme beeinträchtigen häufig das Arbeitsgedächtnis,
die Wortflüssigkeit, die Geschwindigkeit der
Informationsverarbeitung, das verbale und visuelle Gedächtnis sowie
die exekutiven Funktionen und – nach neuen Erkenntnissen – der
Bereich der „Theory of Mind“ (die Fähigkeit, auf der Grundlage
nonverbaler und verbalen Hinweisen auf die Emotionen anderer
Menschen zu schließen). Das wären dann auch die Ansatzpunkte für
mögliche Testungen. Der bisher eingesetzte Test ist der SDMT, bei dem Zahlen zu
Symbolen innerhalb von 90 Sekunden zugeordnet werden müssen. Dieser
Test adressiert das Arbeitsgedächtnis. Das Problem bei diesem Test
ist, dass eigentlich auch die schulische Ausbildung mit zur
Beurteilung des Ergebnisses herangezogen werden müsste, da das
gleiche Ergebnis bei einem eine Auffälligkeit ist, während sie bei
dem anderen völlig normal ist. Hinzu kommt natürlich, dass dieser
Test auch beeinflusst werden kann durch andere Beeinträchtigungen,
wie das Sehen oder der oberen Extremitäten. Trotzdem bleibt dieser
Test auch bei der Digitalisierung der Test der Wahl und ist bereits
auch als solcher verfügbar. Er ist schnell durchführbar und wenn
regelmäßig absolviert, ermöglicht er im Monitoring doch das
Erkennen von Veränderungen. Für den klinischen Einsatz wurde eine Reihe von vereinfachten
Tests für die Kognition bei MS entwickelt, darunter Testbatterien
wie der Brief Repeatable International Cognitive Assessment for MS,
die Brief Repeatable Battery of Neuropsychological Tests und der
Minimal Bewertung der kognitiven Funktion bei MS. Deren Einsatz
scheitert aber an zeitlichen und personellen Engpässen (abgesehen
von der Umsetzung in eine digitale Form). Aber sollte in dem
Symbol-Zahlen-Test eine klinisch relevante Verschlechterung
auftreten, können diese Tests angeordnet werden. Im Bereich der MS würde ich mir die Weiterentwicklung digitale
Biomarker wünschen, die bereits frühe Progressionen erkennen
können. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, dass alle Patienten
die Möglichkeit erhalten, von digitalen Biomarkern zu profitieren
und nicht nur in ausgewählten Zentren oder im Rahmen von
Studien. Es werden derzeit sehr viele Apps oder digitale
Testmöglichkeiten sowie DiGAs (digitale Gesundheitsanwendungen auf
Rezept) entwickelt. Aber häufig ist es ja so, dass der Entwickler
seine Vorstellung hat, der Arzt ebenfalls, aber der „End-Nutzer“,
also der Patient, diese aus den unterschiedlichsten Gründen nicht
nutzt. Um dies zu vermeiden geht man dazu über, diese Innovationen
durch Patienten testen zu lassen, zumindest ist es unsere
Empfehlung dies zu tun. Das bieten wir auch Unternehmen mit guten
Ideen im Bereich der MS an, diese durch Patienten unseres Zentrums
beurteilen zu lassen. Patienten sind da sehr ehrlich und auch
wahnsinnig kreativ, was Verbesserungen angeht! Da bin ich immer
wieder erstaunt. Wenn aber dann solche digitalen Möglichkeiten, die auch eine
qualitativ gute Datenerfassung und Bereitstellung an den Arzt
ermöglichen, existieren und funktionieren, müssen sie von Patienten
konsequent genutzt werden und nicht nur zu Beginn, wenn die
Begeisterung groß ist. Adhärenz ist da ein großes Problem. Wir schauen auch im Rahmen
eines anderen Projektes an unserem Zentrum derzeit, wie die
Adhärenz bei einer App ist, die Funktionstests zuhause ermöglicht
und was die Ursachen mangelnder Adhärenz sind. Wir sind gespannt
auf das Ergebnis! … der Antrieb, möglichst hochwertige und patientenorientierte
Versorgung anzubieten und weiterzuentwickeln. Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Sowie: Bitte mehr Life in der Work-Life-Balance. Das Leben kann
sich so schnell ändern, man hat es eben nicht in der Hand… Wenn es um Prominente geht: Martin Luther King jr.; wobei es mir
schwer fällt, mich auf eine Person festzulegen. Es gab und gibt
viele interessante Menschen, mit denen ein Kamingespräch bestimmt
nicht langweilig werden würde. Ansonsten: meine Oma, die gestorben ist, als ich noch zu unreif
war, ihr zuzuhören. Als Hörbuch kann ich „Die Purpurnen Flüsse“ (Jean-Christophe
Grange) empfehlen! Sehr gut! Höre ich immer wieder. 🙂 Derzeit lese ich viele Kochbücher. Gerade eben lese ich
„Escapism Cooking“, der Titel verrät eigentlich schon, worum es
geht: Die Flucht aus dem Alltag durch das Fokussieren auf die
Kulinarik. Das Kochen und Genießen von Lebensmitteln. Alleine die
Fotos in diesem Buch sind der Hammer. Bleiben Sie informiert, was ihre MS angeht! Es ändert sich so
viel in kurzer Zeit. Wir finden es äußerst wichtig, dass Patienten
ihre Krankheit verstehen mit all ihren Facetten. Denn dann kann man
selbst aktiv werden, wenn zum Beispiel Symptome hinzukommen oder
bestehende sich verschlechtern oder sie von neuen Therapien hören,
die eventuell für sie in Frage kämen. Auch was die Rechte bezüglich
Verordnungen angeht etc. An jedem ersten Dienstag im Monat findet unser Patienten-Podcast statt. Es
geht um alle Themen rund um die MS. Interessierte können sich auf
der Homepage des Zentrums für Klinische
Neurowissenschaften an der Uniklinik Dresden für
den Newsletter anmelden. Sie bekommen dann den Link zum Podcast
zugeschickt. Die Podcasts können aber auch auf YouTube angesehen werden
(ebenfalls ZKN Dresden eingeben). Bei der Live-Teilnahme haben
Patienten, Angehörige wie Interessierte die Möglichkeit, Fragen an
den Referenten zu stellen. Themenvorschläge sind natürlich herzlich
willkommen! ++++++++++++++++++++ Denk immer dran, sei und bleibe aktiv, informiere Dich und
treffe bewusst Entscheidungen. So kannst Du ein erfülltes Leben mit
Multipler Sklerose bei bestmöglicher Gesundheit führen! Viel Erfolg dabei und alles Liebe, Mehr Informationen rund um das Thema MS erhältst du in
meinem kostenlosen
MS-Letter. Hier findest Du eine Übersicht über alle bisherigen
Podcastfolgen.
Vorstellung
Digitale
Biomarker Überblick
Was sind
Biomarker und wofür werden sie genutzt?
Was ist
das Besondere an digitalen Biomarkern und warum sind sie so
wichtig?
Wie
können digitale Biomarker das Leben von Menschen mit MS verbessern
in Bezug auf Behandlung und Prognose?
Welche
krankheitsbedingten Veränderungen bei MS-Patienten können bereits
gut und effizient mit Hilfe von digitalen Biomarker erfasst
werden?
Welche
Rolle spielen Apps, Smartphones und Fitnesstracker beim Erfassen
der Daten und wie viel wird beim Arzt gemessen?
Wie
kompliziert ist die Auswertung der erfassten Daten?
Wo
liegen aktuell die größten Hürden, um digitale Biomarker
breitflächig einzusetzen?
Detailfragen digitale Biomarker
Wie gut
können Sehstörungen mit digitalen Biomarkern gemessen werden und
welche Arten gibt es?
Welche
Sprachstörungen können MS-Patienten bekommen und wie können
digitale Biomarker diese testen?
Nutzt man Applikationen (Apps), anhand derer Patienten
Sprach-Aufgaben durchführen und diese gespeichert und analysiert
wird, hat man zum einen eine objektive Erkennung von Veränderungen,
die aber auch standardisiert ist.Welche
Auswirkungen haben Depression und Fatigue auf die Sprache und
andere Symptome der MS und ist es möglich, trotz verschiedener
Einflussfaktoren ein klares Bild über den Ist-Zustand eines
Patienten zu gewinnen?
Wie
vielfältig sind die Ursachen für einen schlechten Gang und wie
viele Tests werden benötigt, um sich ein umfassendes Bild zu
machen?
Grundsätzlich ist es wichtig, Beeinträchtigungen des Gehens im
Speziellen und der Mobilität im Allgemeinen in der täglichen
Routine der Patienten zu betrachten. Das ist leider derzeit nicht
vollumfänglich möglich. Die Technologie gibt es schon, aber eben
allenfalls im Rahmen von Studien, noch nicht für die Routine.
Fitness-Tracker oder Smartphones bieten hier gute
Einsatzmöglichkeiten. Das Problem ist aber noch für die
Routine-Nutzung: wo die Daten speichern, so dass Arzt und Patient
diese nutzen können.Wie
werden aktuell die Einschränkungen durch MS auf Arme und Hände
gemessen und was ist hier zukünftig realistisch?
Auf
welche Art können kognitive Probleme festgestellt werden?
Zusammenfassung Biomarker
Welche
Entwicklungen im Bereich der digitalen Biomarker wünschst Du Dir in
den kommenden 5 Jahren?
Wie
können Patienten dabei helfen, dass digitale Biomarker schneller
Verbreitung finden, um möglichst bald von den gewonnenen
Ergebnissen zu profitieren?
Blitzlicht-Runde
Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose...
“
Wie
lautet Dein aktuelles Lebensmotto?
Mit
welcher Person würdest Du gern ein Kamingespräch führen und zu
welchem Thema?
Welches
Buch oder Hörbuch, das Du kürzlich gelesen hast, kannst Du
empfehlen und worum geht es darin?
Verabschiedung
Möchten
Sie den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg
geben?
Wie
können MS-Patienten auf dem neuesten Stand beim Thema digitale
Biomarker bleiben?
Vielen Dank an Anja für die detaillierten und gut verständlichen
Einblicke in das Thema digitale Biomarker!
Nele
Im MS-Perspektive Podcast stelle ich dir meine Sichtweise auf die Multiple Sklerose vor und wie du das beste aus der Diagnose machen kannst. Denn ein schönes und erfülltes Leben ist auch mit einer chronischen Autoimmunerkrankung wie Multipler Sklerose möglich. Hier findest du Informationen und Strategien, wie du aktiv Einfluss nehmen kannst. Ich will dir Mut machen und zeigen, was du alles selbst in der Hand hast. Dazu veröffentliche ich Solobeiträge mit meinen Erfahrungen zur Basistherapie, zur Ernährung, zum Reisen, Arbeiten und der Familienplanung. Außerdem interviewe ich Experten zu verschiedensten Themen rund um ein Leben mit MS. Und einige Folgen dienen der puren Entspannung, die in jedem Leben einen wichtigen Platz einnehmen sollte.